Nicht veraltet, sondern hochaktuell
Die Idee der Commons schien lange Zeit veraltet, hat aber in den letzten Jahren wieder massiv an Bedeutung gewonnnen. Angesichts der vielfältigen Krisen, mit denen wir gegenwärtig konfrontiert sind, wird die Suche nach Alternativen drängender. In den letzten Jahrzehnten haben wir nahezu alles, was wir zum Leben brauchen privatisiert, zur Ware gemacht und Profit und Wettbewerb unterworfen. Die Grundlagen unserer Wirtschaft und Gesellschaft – die ökologischen, sozialen und ökonomischen – wurden dadurch zerstört. In dieser Situation weist das Konzept der commons die Richtung zu Lösungen, die den Bedürfnissen der Menschen in verschiedenen Gesellschaften ebenso Rechnung tragen wie der Erhaltung natürlicher Ressourcen, und macht Optionen jenseits der Wachstumsökonomie denkbar.
Die Hauptmerkmale einer Gesellschaft die auf commons aufbaut sind:
- Es geht um Beitragen statt Tauschen, commons-Beziehungen sind also keine Marktbeziehungen. Commons können nicht ge- oder verkauft werden, sie können aber zur Herstellung von Waren verwendet werden, die dann verkauft werden. Jede und jeder tragen bei, was sie können, alle nutzen, was sie zum Leben brauchen.
- Commoning ist geprägt von Kooperation, schließt jedoch Wettbewerb nicht aus. Dieser wird allerdings nicht zum leitenden Prinzip.
- Alle NutzerInnen des commons bestimmen gleichberechtigt über die Regeln der Nutzung mit. Alle übernehmen auch Verantwortung für das common.
Der Erhalt von bestehenden und die Schaffung von neuen commons kann die Grundlage für ein gutes Leben für alle sein.
Was genau sind nun eigentlich Commons?
Ursprünglich stammt der Begriff aus dem vorindustriellen England. Die Freiheitsrechte der Menschen sollten durch Nutzungsrechte an commons, abgesichert werden. Alles was die Menschen zum Leben brauchten – Holz zum Bauen und Heizen, Weide für das Vieh und Land zum Anbau von Lebensmitteln – war zur Nutzung für alle frei und durfte von den Besitzern nicht eingehegt werden. Dadurch wurden Abhängigkeitsverhältnisse vermieden. Umgekehrt wurde durch die Art der Nutzung die Pflege und der Erhalt der Wälder und Weiden garantiert. Außerdem gehörte zum Recht auf commons auch das Recht zur Verteidigung der commons, also das Recht, Zäune einzureißen, die die Nutzung der commons verhinderten.
In den letzten Jahrzehnten – konfrontiert mit Freihandelsverträgen, Strukturanpassungspakten und Landgrabbing – wurde der Begriff commons vor allem von den sozialen Bewegungen des Südens erneut aufgegriffen und fand von dort wieder nach Europa zurück.
Ein weiterer wichtiger Impuls kam von der Freien Software Bewegung und den BefürworterInnen von „Wissenscommons“. Unter dem Begriff commons verbinden sich also alte Traditionen mit einer modernen Kultur.
In allen diesen Fällen sind Commons nicht spezielle Güter, sie stellen auch nicht eine spezielle Eigentumsform dar. Als commons bezeichnen wir Arrangements zur Herstellung und Erhaltung von gemeinsam genutzten Ressourcen, es handelt sich also eine spezifische Art der Beziehung zwischen Menschen in Bezug auf die Dinge, die für ihre Existenz notwendig sind. Commons brauchen die community, die sie pflegt und erhält durch kollektives Handeln, das commoning genannt wird. Ob etwas ein commons ist, hängt also von der Art der Nutzung ab.
Viele unterschiedliche Dinge könnten als commons behandelt werden. Nicht nur Grund und Boden, Saatgut, Rohstoffe oder Wasser, auch Wissen, Kunst und Kultur, Sprache oder Gene, ein Gesundheits- oder Bildungssystem und nicht zuletzt freie Software sind commons, wenn wir es wollen.
Die Vielfalt der commons erfordert eine Vielzahl von unterschiedlichen Regelungen, commons heißt also nicht eine Lösung für alle, sondern die NutzerInnen jedes commons müssen ihre Regeln selbst entwickeln.
Commons können aber auch als ein Paradigma verstanden werden, ein spezifischer Blick darauf, wie wir unsere Gesellschaft und Wirtschaft organisieren können, der verschiedene praktische Umsetzungen und Rechtsformen zulässt, allerdings gibt es einige Prinzipien, die erfüllt sein müssen, damit das Commons lange bestehen kann. Diese Prinzipien hat die Commonsforscherin Elinor Ostrom entwickelt, einen Überblick über ihre wissenschaftliche Originalfassung und eine für die Praxis adaptierte Version gibt es hier.
Prinzipien des Commoning
Es gibt kein commons ohne die community, die Nutzergemeinschaft, die es erhält. Commons sind nicht nur eine Gabe, sondern auch eine Aufgabe. Ohne die aktive Beteiligung aller NutzerInnen kann ein commons nicht erhalten bleiben. Weil wir für Commons immer etwas TUN müssen, verwenden wir auch gerne den Begriff commoning. Es gibt einige Dinge, die für gelingendes Commoning wichtig sind.
Zum Beilspiel müssen wir zwischen Besitz und Eigentum unterscheiden: Besitz berechtigt zur Nutzung eines Gutes, nicht jedoch dazu, andere von der Nutzung auszuschließen oder das Gut zu verkaufen oder zu zerstören. Die juristische Eigentumsform ist dafür unerheblich, commons können in privatem, öffentlichen oder gemeinschaftlichen Eigentum sein, sie müssen jedoch nach bestimmten Regeln genutzt werden.
Ein weitverbreiteter Irrtum ist, dass commons „niemandem“ gehören und für alle frei zugänglich sind.
Tatsächlich gibt es einige Bedingungen, die erfüllt sein müssen, damit commons funktionieren:
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Sie brauchen eine genau definierte Gruppe von NutzerInnen (die jedoch in manchen Fällen, wie z.B. bei natürlichen Ressourcen, die ganze Menschheit sein kann)
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Es muss klare Regeln für ihre Nutzung geben, die von der Gruppe der NutzerInnen entwickelt und kontrolliert werden. Diese Regeln stellen sicher, dass commons nicht übernutzt werden, aber auch nicht durch Nichtnutzung verschwinden.
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Es muss Sanktionen für Regelverstöße geben, diese Sanktionen dürfen aber nicht existenzbedrohend sein.
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Die Regeln müssen vom Staat anerkannt werden, oft erhalten sie Gesetzesstatus. Staat und Unternehmen können in die Regelung einbezogen sein.
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Commons funktionieren nicht nach dem Marktprinzip – man kann sie nicht kaufen oder verkaufen, man muss sie herstellen und pflegen.
Wie Regeln für globale commons, wie Erdöl oder die Atmosphäre, ausschauen könnten, oder wie die Idee der commons in einer modernen spätkapitalistischen Gesellschaft umgesetzt werden kann, das sind die Fragen, mit denen wir uns auseinandersetzen müssen. Die Idee der commons kann uns dazu eine Argumentationsgrundlage bieten, die Lösungen müssen wir erst erarbeiten.
Warum sind Commons für uns auch heute noch wichtig?
Commons sind die Grundlage einer funktionierenden Gesellschaft und Wirtschaft. Ihre Bedeutung merken wir oft erst, wenn sie verloren gehen. Der zunehmende Wohlstand einerseits und die soziale Absicherung im Sozialstaat andererseits hat zu der Annahme geführt, dass commons überholt seien und in modernen Gesellschaften nicht mehr gebraucht würden.
Die Entwicklung des kapitalistischen Wirtschaftssystems führte zur Einhegung vieler commons, d.h. sie wurden in das Marktsystem eingegliedert, weil man annahm, dass sie so besser funktionieren würden. Von der Klimakrise über die Finanzkrise bis zur Krise von Pensions- und Gesundheitssystem werden wir derzeit eines besseren belehrt. Es ist notwendig, dass wir uns wieder auf unsere commons besinnen und für sie kämpfen.
In den letzten Jahren wurden Forderungen nach Veränderungen von vielen verschiedenen Gruppen aus unterschiedlichen weltanschaulichen Richtungen und zu unterschiedlichen Themen gestellt. Von den sozialen Bewegungen, Gewerkschaften, Kirchen und anderen Akteuren wurden Umweltschutz, Ernährungssicherheit, öffentliche Dienstleistungen, Menschenrechte und vieles mehr eingefordert. Ökologische, soziale und ökonomische Erfordernisse wurden dabei oft genug gegeneinander ausgespielt.
Commons ist ein Paradigma unter dem die vielen unterschiedlichen sozialen Bewegungen zusammengeführt werden können, das soziale und ökologische Aspekte verbindet und für unterschiedliche Weltanschauungen anschlussfähig ist. Das Konzept der commons gibt nicht ein Modell für alle vor. In der Vielfalt der commons existieren viele verschiedene Arten der Regelung, in die auch öffentliche Institutionen und Unternehmen einbezogen sein können.
Commons sind ein Bereich jenseits von Markt und Staat, in dem Menschen ihre Lebenswelt gestalten und das, was sie zum Leben brauchen herstellen. Commons stehen aber nicht „gegen“ Markt und Staat oder für deren Überwindung. Vielmehr ermöglicht es die Idee der commons die Dualität von Markt und Staat zu überwinden und den Blick für eine Vielzahl von Alternativen zu öffnen. Es geht dann um ein neues Verhältnis zwischen Markt, Staat und solidarischen Wirtschaftsformen.
Commons-based Peer Production
Der Begriff wurde geprägt von Yochai Benkler, Professor an der Harvard Law School, zur Erweiterung der Neuen Institutionenökonomik. Demnach können weder die gängigen Theorien der neoklassischen Volkswirtschaftslehre, die auf dem Annahmen-Modell des Homo oeconomicus als rational und eigennützig handelndem Individuum basieren, noch Ansätze wie die Neue Institutionenökonomik erklären, weshalb nichtkommerzielle Phänomene wie Open-Source-Softwareentwicklung oder Wikipedia überhaupt möglich sind.
Der Begriff verweist auch darauf, dass commoning immer auch ein Produktionsprozess ist, dass Commons also auch eine Produktoinsweise darstellen. Weil das Ergebnis dieser Produktionsweise immer wieder Commons sind, hat Silke Helfrich den Begriff in Commons-Creating-Peer-Economy weiter entwickelt.
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