Festung Europa, Anlandeplattformen, Abschiebungen, keine Führerscheinprüfungen auf Türkisch, Erfassung von jüdischen MitbürgerInnen, Nationalismus, Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Hetze gegen alles was nicht der österreichischen oder deutschen „Leitkultur“ entspricht, Kriminalisierung von NGOs, die Flüchtlingen helfen, vor allem der SeenotretterInnen; jeder Tag scheint eine neue Eskalation des „Bis-vor-Kurzem-noch-nicht-Denkbaren“ zu bringen. Es scheint, dass gemäßigte, liberale, humanistische Kräfte in Europa am Verschwinden sind, man könnte verzweifeln!
Aber, wo viel Macht ist, ist auch viel Widerstand, wusste bereits Michel Foucault. Und auch wo es viel rechte Hetze gibt bilden sich immer mehr Gegenbewegungen. Hier ein Überblick über das, worüber ich nur in den letzten Tagen im Internet „gestolpert“ bin.
Private Seenotretter erfahren großartige Unterstützung aus der Zivilgesellschaft, 3/4 der Deutschen finden es richtig, das private Organisationen Flüchtlinge im Mittelmeer retten, berichtet die Zeit, in Deutschland hat sich bereits eine große Bewegung unter dem Namen „Seebrücke“ gegründet, die von vielen Prominenten unterstützt wird. Die Bewegung wird getragen von verschiedenen Bündnissen und AkteurInnen der Zivilgesellschaft, die sich mit allen Menschen auf der Flucht solidarisieren und von der deutschen und europäischen Politik sichere Fluchtwege, eine Entkriminalisierung der Seenotrettung und eine menschenwürdige Aufnahme der Menschen, die fliehen mussten oder noch auf der Flucht sind, fordern. 20.000 Menschen haben in mehreren Städten Deutschlands gegen die tödliche Abschottungspolitik und die Kriminalisierung der Retter demonstriert, weitere Proteste sind geplant.
Unter dem Hashtag #ausgehetzt demonstrieren heute in ganz Bayern Menschen „gegen die verantwortungslose Politik der Spaltung von Seehofer, Söder, Dobrindt und Co. Wir setzen ein Zeichen gegen den massiven Rechtsruck in der Gesellschaft, den Überwachungsstaat, die Einschränkung unserer Freiheit und Angriffe auf die Menschenrechte.“
Viele europäische Städte haben sich zum Netzwerk der „Solidarity Cities“ zusammengeschlossen, hier werden Flüchtlinge nicht verfolgt und verhaftet, es wird nicht zwischen „Einheimischen“ und „Fremden“ unterschieden. Wer hier ist, gehört zu uns, lautet die Botschaft, wir machen nicht mit bei der Hetze gegen vor Krieg oder Armut geflüchtete Menschen. Das US-amerikanische Pendant dazu sind die „Sanctuary Cities“.
Während die österreichische EU-Ratspräsidentschaft von Verschärfung der Grenzkontrollen spricht, davon, am besten überhaupt keine Flüchtlinge mehr nach Europa zu lassen, hat des EU-Parlament Nägel mit Köpfen gemacht und einen Vorschlag für eine Reform der Dublin-Verordnung vorgelegt, von dem man im Vorsitzland Österreich leider nichts hört.
Auch von der UNO kommt ein Entwurf für einen globalen Migrationsvertrag, den zwar die USA verweigern, aber das sollte Europa ja nicht daran hindern, entsprechend zu handeln.
In Österreich hat sich zwar noch keine massive Bewegung gegründet – obwohl viele Initiativen und Einzelpersonen täglich versuchen, den Zumutungen der blau-schwarzen Regierung etwas entgegenzusetzen – aber in Österreich dauert halt alles immer ein bissl länger. Zumindest werden auch gemäßigte Stimmen vermehrt hörbar, so lehnen etwa 72% der ÖsterreicherInnen die Abschiebung von Lehrlingen in Ausbildung ab. Hier kann die Regierung nicht mehr behaupten, im Sinne „des Volkes“ zu handeln.
Durch die südsteirische 5000 Einwohner-Gemeinde Straß kamen im Jahr 2015 pro Tag ca. 6.000 Flüchtende. Der Großteil der Menschen ist weitergezogen. Einige wenige sind geblieben. Diese Erfahrung bringt Straß in das EU-Projekt „Seitenblicke von den Grenzen” ein. Unter der Leitung der Gemeinden Lampedusa und Linosa, Italien schlossen sich 31 Gemeinden und Vereine aus 14 europäischen Ländern zu einem Gemeindenetzwerk zusammen, um voneinander zu lernen und für eine solidarische europäische Migrationspolitik einzutreten.
Soweit einmal Berichte von der Front der MutmacherInnen, Ergänzung erwünscht!
Ergänzung: Es gibt auch eine europäische Bürgerinitiative, die mensch unterzeichnen kann mit dem Titel „We are a welcoming Europe“.
Ausbildung statt Abschiebung – unter diesem Slogan haben die oberösterreichischen Grünen eine Petition an den Landeshauptmann gestartet, Asylwerber, die eine Lehre machen, auch bei negativem Asylbescheid nicht abzuschieben. 53.000 Menschen haben diese Petition bereits unterschrieben.
Auch in der Steiermark gibt es nun eine ähnliche Aktion. 12 Gemeinden haben einen entsprechenden Gemeinderatsbeschluss gefasst und richten damit diese Forderung auch an den steirischen Landeshauptmann.
Das ist natürlich noch weit vom Konzept einer Solidarity City entfernt. Man muss den Gemeinden aber auch zugute halten, dass wie weniger Handlungsspielraum haben als Städte. Aber es zeigt zumindest, dass die Vernunft wieder einkehrt in die emotional aufgeladene Asyldebatte.
https://steiermark.orf.at/news/stories/2925417/